13 Jan 2013
















11 · VIER REITER IM NEBEL :

PEST · KRIEG · HUNGER · TOD

Ein tiefer Schleier legt sich über das Land. Der Boden unter den Füßen schwingt leicht im Takt des dumpfen Grollens der herankommenden Reiter. Das erste der vier Pferde bricht sich seine Bahn durch den dichten Nebel auf der harten Erde. Über seinem weißen Kopf recken sich die Arme des Führers in den Himmel ̶ eingehüllt in ein schweres schwarzes Tuch, dessen faulige Überreste das ganze Land bedecken. Die Pest kriecht mit all ihrer Verschlagenheit und Heimtücke in die leeren Eingeweide und Gedärme jeglichen Lebens.
Mit einem harten Hieb seines Schwertes zerschmettert der Begleiter zur Rechten des ersten Gaules: Kröten, Echsen, Spinnen und Schlangen, die sich an ihrem eigenen Blute laben. Die Klinge ist noch scharf, und das Schlachten will kein Ende nehmen. Braun ist der zweite Hengst und lässt sich von den letzten Resten des faden Nebels umschmeicheln. Der Krieg wird in alle Lande getragen, und die Ewigkeit soll an ihrem eigenen Eiter ersticken. Krieg soll es sein, den die Apokalypse bis zum Jüngsten Tag liebkosen will.

Als Dritter im Bunde hebt er die Waage ̶ auf dass die Kupfermünzen die trockene Gerste wiegen. Feuchter Schweiß tropft auf das spärliche Gras unter den Hufen seines schwarzen Pferdes. Einen neuen Beutel Münzen für den ersten Sack Getreide und zwei weitere für den Rest der Ernte, die als zu leicht befunden wird. Wein, Öl und Fleisch bleiben euch verwehrt, als dass ihr dort für ewig und immer den Hunger kennen möget.

Und als darauf die ersten drei Gräueltaten schon über das Land zogen, um sich an dessen Elend schadlos zu halten, da erschien am Ende des Tages der letzte der vier Reiter auf seinem fahlen knöchernen grauen Pferd. Weiß, Braun und Schwarz tauchen in das Abendrot der Endzeit ein und schütteln den klebrigen Tau dieses grauen Gerippes nur leicht von sich. Und der da noch gekommen war hatte alle ergriffen, und sein Name war: Tod! Mit der Sense in der Hand streicht er sanft über den Ackerboden, als dass da kein Grashalm mehr wachsen und kein Tier mehr atmen möge. Aus den noch leeren Augenhöhlen quillt die faule Pest zu Boden, die Kupfermünzen brechen aus den Rippen, und das Gekreuche und zerschmetterte Gefleuche zerfetzt die letzten Hautreste an den Zähnen seines offenen Gebisses.

Es wird das Ende und der Anfang sein, und der dort gekommen ist, um zu leben ist der ̶ Tod, und die vier Reiter öffnen die Hölle und folgen ihr auf immer da!
Der Kopf wiegt schwer auf den Schultern, und als das erste Getreide geschnitten ist, dämmert der Abend. Das letzte Licht des Tages gerbt noch einmal die Schwielen des Landmannes auf den stets wunden Händen. Es war ein schweres Jahr ̶ ein endlos langes Jahr. Für den Winter haben sie noch einmal zu essen ̶ der gute Anfang für ein neues Leben, und der starre Blick in die Ferne verliert sich am Firmament im Nebel der vier Reiter.
Und das Elend entflieht vor sich selbst ̶ es reitet mit Pest, Krieg, Hunger und dem Tod davon! Aus der Ferne weht noch ein letztes Mal ein ekliger sterbender Atem herüber. Im vergänglichen Abendrot neigt sich der Kopf langsam und lautlos zur Seite. Werden sie wohl wiederkommen? Der Rabe hebt seine gestutzten krummen Schwingen über das Land empor. Für immer da oben wollen hohle tote Augen bedeckter Reiter auch morgen noch den falschen Triumph mit dem rauen Wind verdecken.